In letzter Zeit denke ich viel über den Tod nach. Ein Thema, über das viele ungerne sprechen. Meiner Ansicht nach ist es nicht nur schade, dass wir keine gute Beziehung zu ihm haben, sondern auch hinderlich für unsere Weiterentwicklung. Ich schreibe hier darüber, welch wertvolles Potenzial im Tod, im Sterben und in der Stille liegt und gebe dir einige Impulse mit, damit der Tod seinen Schrecken verliert und dein Verbündeter auf deinem Weg wird.
Muss ich denn sterben, um zu leben?
Zitat: Falco
Muss der Tod verhindert werden oder ist er Teil des Lebens?
In unserer Gesellschaft sehen wir Leben und Tod als zwei voneinander getrennte Ereignisse und den Tod im Speziellen als etwas Bedrohliches, was mit aller Kraft versucht werden müsste, zu umgehen. Es gibt (vermeintlich) unzählige Produkte, Möglichkeiten und Übungen, um das Altern zu verhindern - begonnen mit Hygieneprodukten, Schminke und Filter in Film, TV und auf Social Media. Um nicht alt auszusehen gibt es "Junghalten"-Ratgeber und "Schönheits"-OPs.
Hinzukommt, dass wir über den Tod kaum ein Wort verlieren, auch nicht, wenn Angehörige im Sterben liegen. Was dazu führt, dass viele nicht wissen, wie sie mit dem Tod umgehen sollen und entfernen sich noch weiter von ihm.
Anders ist das in Kulturen wie in Mexiko, die zum Tod eine enge Beziehung haben - mit dem Dia de los Muertos feiern und verehren die Mexikaner ihre verstorbenen Ahninnen & Ahnen. Anstatt sie schwarz gekleidet zu betrauern, verehren sie sie mit einem großen Festakt, bunten Farben und Essen.
Dabei könnten wir vom Tod so viel lernen.
Der Jahreskreis: ein Kreislauf von Werden & Vergehen
Der Tod gehört zum Leben dazu. Sie sind miteinander verwoben und bedingen sich.
Ich denke zur Zeit oft über den Tod nach, weil er aufgrund der multiplen Krisen (Kriege, Gewalt, Naturkatastrophen) ständig präsent ist. Weil ich über den Verlust der Mutter einer guten Freundin aus Kindheitstagen trauere. Und nicht zuletzt, weil ich wieder einmal durch eine Phase in meinem Leben gehe, in der ich loslasse, mich verändere, verabschiede und einen Teil von mir sterben lasse.
Leben und Tod – ein ständiger Kreislauf in unserem Leben.
Ich bediene mich mal wieder an der Natur, die dazu ein wunderbares Beispiel geben kann: es ist Herbst und die Blumen sind verwelkt, die Bäume lassen ihre Blätter los und die Kräfte ziehen sich für den Winter in die Wurzeln, in den Boden zurück. Das bunte Treiben der Natur stirbt ab. Aber nicht für immer.
Es gibt einen Sinn dahinter, denn das Zurückziehen der Lebenskräfte der Pflanzen ist notwendig, damit das Leben im Frühling wieder neugeboren werden kann.
Weiterentwicklung ist nicht linear
Auch du nimmst auf deinem Lebensweg wahr, dass es manchmal Zeit ist, etwas loszulassen, dass es etwas gibt, das vergeht und sterben muss. Eine Verhaltensweise, ein Glaubenssatz, eine Emotion oder ein Empfinden wie Missgunst, Neid oder Selbsthass. Aber auch ein Ziel, das du angestrebt hast, kann losgelassen werden. Weil du spürst, dass es nicht mehr stimmig ist, niemals deines gewesen ist oder nicht mehr zu deinem neuen Ich passt. Wenn du menstruierst, erlebst du diesen zyklischen Ablauf von Leben und Tod monatlich.
Es gibt also verschiedene Ebenen, auf denen wir den Kreislauf von Werden und Vergehen spüren – physiologisch, psychologisch, spirituell.
Und er ist notwendig, damit wir uns weiterentwickeln. Wir können nicht ein Leben lang in voller Kraft und Blüte stehen - die, die es versuchen, brennen allzuschnell aus. Wir brauchen Phasen der Ruhe, des Kräftesammelns und der Stille. Zumeist wird der gefühlte Stillstand als der Tod von Leistung angesehen, denn wir erwarten, dass Weiterentwicklung linear stattfindet. Wir entwickeln uns aber spiralförmig, weshalb wir manchmal das Gefühl haben, sogar zurückzugehen anstatt vorwärts. Stille ist aber nichts schlechtes, sondern im Gegenteil: Stille ist die Zündkraft unserer Kreativität.
Der Tod ist nicht das Ende - er ist der Anfang
Große Veränderungen in meinem Leben haben sich in den letzten Jahren im Herbst deutlich spürbar gemacht. Vor drei Jahren war es der gefühlte Stillstand und meine Unzufriedenheit mit meiner beruflichen Situation, die am Ende des Jahres darin mündeten, dass ich für mich die einzig richtige Konsequenz gezogen habe. Ich habe als Mitgründerin mitbauchgefuehl verlassen und bin den Weg meiner Selbständigkeit allein weitergegangen, um mich freier entfalten zu können. Vor einem Jahr im Herbst habe ich meine Karenz begonnen. Es fanden bis auf unbestimmte Zeit die letzten Yogastunden, Ernährungsberatungen und Coachings statt. Und im tiefen Herbst durfte ich meine Tochter zur Welt bringen und damit auch neugeboren werden. Über unsere Hausgeburt habe ich in meinem Podcast gesprochen.
Nun ist es wieder Herbst und wieder so weit. Es verändert sich etwas in mir. Nun darf wieder etwas losgelassen werden, weil etwas Neues kommt.
Ganz im Speziellen spüre ich, dass ich eine Pause möchte. Eine Pause von Social Media. Ich sehne ich mich nach einem Cut und gegebenenfalls einem Neuanfang zu gegebener Zeit. Anstatt so viel Zeit mit diesem Medium zu verbringen, möchte ich den Fokus auf das Wesentliche richten.
Gerade als Mama bleibt mir für meine berufliche Seite derzeit nicht viel Raum. Wenn ich etwas Zeit nur für mich habe, muss ich sie richtig bewusst einsetzen. Die meiste Zeit möchte ich sowieso mit meiner Familie verbringen, meine Tochter beim Heranwachsen staunend zusehen und von ihr lernen. Und deshalb wird es Zeit, dass ich Social Media den Rücken zukehre - vielleicht für immer. Vermutlich aber nicht (ich kenne mich - es gibt ein paar gute Seiten daran, die mich bisher auch immer wieder zurückgezogen haben. Stichwort Community & Kreativität), aber auf jeden Fall für eine Zeit lang.
Worin ich stattdessen einen Teil meiner Aufmerksam gießen möchte sind meine geliebten Museletter. Sie sollen noch regelmäßiger in dein Postfach fliegen, um dich mit neuen Blogposts und zukünftigen Angeboten von mir zu versorgen. Aber auch mit Inspirationen und Empfehlungen zu Musik, Büchern und Menschen, deren Arbeit ich unbedingt teilen will.
Ein kurzer Ausflug zu meiner Meinung über Social Media:
Das Einzige, was mir Freude an Instagram bereitet, ist die Verbindung zu meiner Community, die ich sehr schätze. Ich lasse mich außerdem gerne inspirieren, denn es gibt einige wirklich großartige Profile, die wunderbare Arbeit machen. Leider sehe ich aber auch viel zu viele Postings, die nur darauf abzielen, möglichst viel Konsum zu schaffen, die nur gemacht werden, um Likes und Interaktionen zu bekommen und die alle gleich aussehen.
Ich sehe, dass es einige Profile gibt, die wahrlich eigenständig kreieren, die ihre Kreativität sichtbar machen, die aus ihrem inneren schöpfen, integer & authentisch. Die etwas in die Welt bringen, was inspirierend und echt ist. Aber es gibt so viele mehr, die Ideen klauen, Werke anderer zu ihren eigenen machen, sogar den gleichen Wortlaut nutzen und damit Geld verdienen. All das OHNE die Quelle wertzuschätzen, geschweigedenn sie zu nennen. Urheberrecht und Wertschätzung werden zugunsten von Profit & Selbstdarstellung missachtet.
Ich frage mich, wo in dieser Social-Media-Bubble die Integrität hin verschwindet, welche Werte diesem kommerziellen Online-Unternehmertum eigentlich zugrunde liegen und ob dort wirklich Community (es nennt sich immerhin Social Media) geschaffen werden will oder lediglich Profit?
Bisher habe ich Instagram auch benutzt, um auf meine Produkte und Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Jede & jeder, die & der das in einer integren Art und Weise tun und damit die Möglichkeit hat, das was sie eigens kreieren der Welt zu zeigen, anderen zu helfen oder zu inspirieren – wunderbar! Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise wir wirken. Schaffe ich aus mir selbst heraus oder nutze ich das Eigentum von jemand anderem?
Neben wirklich guten Inhalten, gibt es leider viele ungesunde Seiten an SM, die mich stark zum Nachdenken bringen. Ich schreibe hier nur noch Stichworte auf, sonst dauert der kurze Einschub zu lange: süchtigmachende kurzlebige Dopaminkicks beim Durchscrollen des Insta-Feeds, wie im nu verpuffende Informationsfluten, blaues Licht Tag & Nacht (Störung unseres zirkadischen Rhythmus) und darüber hinaus oft eine Angst- & Panikmache mit Überschriften wie "das darfst du niemals tun als Mama" usw. (wir kennen sie alle).
In mir arbeitet jedenfalls viel. Neben der Frage, wann und wie ich wieder beruflich einsteige unter anderem auch, wie ich am besten das in die Welt tragen kann, wofür ich hier bin. Und auf welchem Weg ich meiner Gemeinschaft noch tiefer begegnen kann.
Um das noch mehr zu erkunden, möchte in meine Höhle kriechen, die Kraft in meine Wurzeln ziehen und mich neu ordnen. Es ist Zeit, dass ich in mich kehre, um noch klarere Antworten zu finden. Ich muss in die Stille gehen, um neugeboren zu werden.
Immer wenn ich mich damit befasse, denke ich an die Liedzeile von Falco: Muss ich denn sterben, um zu leben?
Ja.
Etwas in uns muss sterben, damit wir Platz für Neues schaffen. Damit wir uns weiterentwickeln und wie die Pflanzen im Frühjahr wachsen und aufblühen. Denn in der Stille entfachen wir unser kreatives Schöpfertum.
Der Tod ist nicht das Ende, er ist der Anfang.
Und mit vollem Bewusstsein können wir neue Wege gehen. Begleiten wir uns in die Veränderung und durch sie hindurch, können wir dafür Sorge tragen, dass wir nicht aus der Bahn geworfen werden, weil wir uns genau das geben, was wir brauchen. Mehr Zeit. Mehr Unterstützung. Mehr (oder weniger) Austausch. Mehr Stille. Usw.
Fragen, die dich auf deinem Weg begleiten
Herbst und Winter stehen für Veränderung und die Notwendigkeit des Todes, denn nur dann kann neues Leben entstehen. Es wird Zeit, dass wir uns mit ihm befreunden und ihn nicht mehr ausklammern.
Lassen wir uns doch von dieser gemütlichen Jahreszeit inspirieren und überlegen, welche Blätter bei uns fallen müssen. Was muss gehen, damit wir uns auf unserem Weg so weiterentwickeln, damit es sich stimmig anfühlt? Was muss sterben, damit wir neugeboren werden können?
Mit einem allerletzten Impuls und ein paar sehr wichtigen Fragen möchte ich diesen Eintrag schließen. Es kann gut sein, dass dich die nächsten Zeilen zuerst vielleicht etwas traurig machen. Sie können dich aber ebenso befreien, so wie sie mich befreiten und dich auf deinem Weg noch klarer gehen lassen.
Was würdest du tun, wenn du in absehbarer Zeit sterben würdest?
Diese Frage ist so tief, vielleicht auch schmerzhaft. Aber so befreiend zugleich. Wenn wir uns dem Tod bewusst sind kann uns das noch freier machen, noch wahrhaftiger leben lassen.
Denn wenn wir nur noch wenig Zeit zum Leben hätten, würden wir dann all das benötigen, womit wir uns täglich befassen? Worüber wir uns oft ärgern? Womit wir uns immer wieder aufhalten?
Auf was kommt es wirklich an?
Mit wem, mit was, wofür würden wir unsere Zeit nutzen?
Wie würden wir der Welt begegnen?
Ich wünsche dir mit diesen Impulsen eine intensive und vor allem freudige Auseinandersetzung mit dem Kreislauf von Leben UND Tod.
Mögest du deine Zeit sinnvoll nutzen. Loslassen (sterben lassen), was nicht mehr sein soll und deinen Fokus auf das richten, was wirklich wichtig ist.
Von Herzen,
Cora
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